Zeitungsbericht Tauberzeitung 29.09.2011



Lebensgefühl und Tradition "gehopft"

Winzertanz für Medienpreis Tauberfranken nominiert

Niederstetten• Tradition wird in Niederstetten "gehopft". Der Winzertanz ist mehr als nur das alljährliche Highlight des Herbstfestes und deshalb für den Medienpreis Tauberfranken im Bereich "Kunst und Kultur" nominiert.

Winzertanz Niederstetten
Immer ein Anziehungspunkt: die Aufführungen der "roten" und "grünen" Winzer beim Herbstfest in Niederstetten. Foto: Privat

Seit 1925 besteht er und wurde nur durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen: Der Winzertanz in Niederstetten. Als Richard Knenlein den Winzertanz nach dem Vorbild anderer Trachtentänze 1925 ins Leben rief, hätte er bestimmt nicht zu träumen gewagt, dass er beinahe 90 Jahre später noch in den gleichen, von ihm erdachten Figuren und der doppelten Anzahl Teilnehmer getanzt wird. Und vor allem eines geworden ist: ein fester Bestandteil von Niederstetten und Lebensgefühl ganzer Generationen.

Doch wie hat man sich dies vorzustellen, wenn man es nicht kennt? In etwa so: Jedes Jahr treffen sich knapp 100 unverheiratete, junge Leute aus Niederstetten und der Umgebung vier Wochen vor dem Herbstfest und üben den Winzertanz in acht Proben bis zum Herbstfest. Das Adjektiv "unverheiratet" kommt übrigens nicht von irgendwoher, genauso wie das Mindestalter von 16 Jahren ist es eine Grundvoraussetzung für die Teilnahme.

Den Tanz selbst muss man sich als schnellen, 20-minütigen Dauerlauf im Galopp vorstellen, auf Pfiffkommando des Leiters werden Formationen wie die "Laube" oder die "Welle" dargestellt. Nach dem "Hopfen" geht es zum Stiefeltrinken, bei dem die "Roten" gegen die "Grünen" antreten. Auch sonst entsteht in dieser Zeit eine künstlich-spielerische Rivalität zwischen diesen Gruppen, unter anderem wird auch am Herbstfestmontag ein Fußballspiel gegeneinander ausgetragen.

Was den Winzertanz auszeichnet, stark macht und ihn über all die Jahrzehnte als echte Tradition von der Jugend tragen lässt, sind wohl mehrere Gründe. Zum einen ist er nichts juristisch verbindliches, kein Verein oder Club. Die Zeit, in der man Winzer ist, also die Zeit der Probe, des Herbstfestes und des obligatorischen Ausfluges zwei Wochen nach dem Herbstfest ist kurz und überschaubar, eben etwas besonderes, ein Highlight des Jahres. Der Tanz an sich ist immer derselbe und muss nur in der ersten Zeit intensiv geübt werden, auch den "Takt" halten die älteren Winzer bereits quasi "aus der Hüfte heraus".

Er ist trotz der Hierarchie nach Zahl der Teilnahmen vom Hauptschüler bis zum Gymnasiasten, vom Studenten bis zum Arbeiter ein einigendes Band in der "Steidemer" Gesellschaft. Und natürlich geht es zwar nach geordneten Regeln, aber auf keinen Fall gesittet und streng zu, "Lumpenliedle" werden genauso angestimmt wie alte und neuere Volkslieder, wodurch sie auch erhalten und weitergegeben werden. Das ist dann auch die große gesellschaftlich-kulturelle Leistung des Winzertanzes, die Verbreitung von Tradition und Liedgut bei fröhlicher Stimmung mit Menschen, die man anders wohl nicht kennen würde. Außerdem sind sie als "Partyanheizer" in der ersten Reihe des Festzeltes nicht mehr wegzudenken, ein guter Teil des wirtschaftlichen Umsatzes von Fest und Gastwirtschaften dürfte sowohl direkt als auch indirekt auf das Konto der Winzertänzer gehen. So ist es dann auch Jahr für Jahr etwas ganz besonderes, in den Tagen des Herbstfestes in Niederstetten vor allem in der Tracht, aber auch im Winzertanz-Shirt feiern zu können, quasi "Narrenfreiheit" zu genießen und von den Besuchern freudig als Winzertänzer identifiziert zu werden. Kurzum, der Winzertanz, seine Teilnehmer und die Aufführung, ist nicht nur eine kulturreiche Tradition auf dem Herbstfest, sondern für die Teilnehmer ein Lebensgefühl und eine prägende Zeit im Leben. fh